Ultramarathon Wien – Budapest (317,4km) 19. - 23. 10. 2013
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- Zuletzt aktualisiert am Montag, 09. Juni 2014 09:46
- Geschrieben von HSVW
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Lernen durch Schmerz – Glück durch Erreichen – Zufriedenheit durch Erhalten
Karl- Heinz RIEGL
… so lautete mein Motto für meinen letzten großen Wettkampf im Jahr 2013. Dass dieses Motto sich so bewahrheiten würde, hatte ich nicht erwartet. Doch davon später:
Nachdem ich in der Saison 2013 schon einige Ultras, Marathons und Eilmärsche hinter mir hatte, wurde ich von unserer Sektion immer wieder auf den Lauf „Wien-Budapest 19. - 23.Oktober 2013“ aufmerksam gemacht. Nachdem ich zuerst damit spekuliert hatte, diese Distanz als 4er Staffel zu absolvieren, entschied ich mich aber schlussendlich doch dazu, diesen Ultra alleine zu laufen. Wobei sich die Bezeichnung „alleine“ später noch anders darstellen sollte.
Gesagt, getan! Unter tatkräftiger Unterstützung von Obstlt aD Karl Hagenauer, seines Zeichens Mitkoordinator für diese Veranstaltung, konnte ich die Registrierung und die Quartierfrage relativ problemlos klären. Jetzt musste ich noch einen kompetenten „Freiwilligen“ finden, der für meine Betreuung missbraucht werden konnte. Da fiel mir ein lieber Kamerad unserer Nijmegenmärsche ein, unser Sanitätsverantwortlicher Helmuth Küng. Er erklärte sich sofort bereit, ins kalte Wasser zu springen und eine für ihn unübliche Betreuung zu übernehmen. Da diese Angelegenheit ebenfalls besprochen war, konnte ich meinen Trainingsplan an diese Veranstaltung anpassen und hoffen, dass mein Körper nach den vielen Kilometern dieses Jahres auch noch diesen Lauf aushalten würde.
Freitag, 18. Okt.: Abholen von Helmuth vom Wiener Westbahnhof, Einweisung in sein Fahrzeug, Übernachtung bei mir zu Hause.
Samstag, 19. Okt.: Wien - Bratislava - 92km: Anmarsch zum Wiener Praterstadion und Vorbereitung für den Start, Festredner, Ehrungen verdienter Mitarbeiter, heißer Tee und, und – und endlich START! Es ging recht flott auf die erste Etappe Richtung Schwechat. Nachdem ich einen Rhythmus gefunden hatte, der mir zwar gut passte aber für die ganze Laufstrecke zu schnell schien, reduzierte ich meine Durchschnittsgeschwindigkeit und stellte mich auf die Herausforderung der nächsten Tage ein. In Bruck/Leitha passierten wir einige Teilstrecken des Marc Aurel Marsches und weiter ging es bei Gegenwind und schier endlosen Geraden. „Da läuft man eine Stunde lang auf eine Kirche zu und das verdammte Ding wird keinen Millimeter größer.“ In diesen Momenten half mir meine mitgenommene Mp3-Musik um diese „Tiefen“ zu überbrücken. Mit der Zeit stellte sich dann der notwendige Langstreckenblick ein: man interessiert sich nur mehr für die 5-10 m vor den Beinen und dann wieder die nächsten und wieder und plötzlich fand man sich unerwartet in einer Ortschaft, bei einer Labestation wieder und hörte die lapidare Meldung: „Jetzt ist es bald fertig, nur noch dieser kleine Berg und ihr seid’s in Bratislava!“ Hurra, aber nach der Ortschaft kam ein Berg, der mir mindestens wie unser Wiener Kahlenberg vorkam. Da sich nun auch die Versorgungsintervalle meines Betreuers Helmuth an meine Bedürfnisse angepasst hatten, war dieses Teilstück dann kein sonderliches Problem mehr, abgesehen von dem beginnenden leichten Stechen im rechten Knie. Aber, wie auch immer, geschafft! Der erste Tag war im wahrsten Sinn des Wortes „gelaufen“.
Sonntag, 20. Okt.: Bratislava - Györ - 82km Es ging wie immer sehr flott auf den ersten Kilometern dahin. Der Plan war, recht rasch ein angepasstes Lauftempo zu finden und womöglich einen Mitläufer, der in etwa den gleichen Schnitt läuft. Da die Staffelteilnehmer ein viel höheres Tempo liefen, war es manchmal wichtig, anhand der Startnummern festzustellen, zu welcher Laufkategorie der jeweilige Läufer gehörte, um sich nicht mitreißen zu lassen. Diese Tagesetappe ging zwar laut Aufzeichnungen immer leicht bergab, aber auf freiem Feld und bei wechselnd starkem Gegenwind … Gegen Mittag machte sich ein komisches Gefühl in meinem Bauch breit. Husten bzw. Nahrungsaufnahme wurde immer schwieriger und gefährlicher. Das verschlimmerte sich so, dass ich keinerlei Getränke mehr bei mir behalten konnte. Nur das Notwendigste – z.B. eine auf der Straße liegende Nuss, wurde von mir stundenlang gekaut. Am Abend war es traurige Gewissheit: ein Virus, eine Verkühlung oder etwas Ähnliches hat mich erstmalig in diesem Jahr erwischt. Durchfall und Brechreiz waren die Folge davon. Gewichtsverlust an den ersten beiden Tagen ca. 4kg! Na gratuliere, das waren schöne Aussichten für die nächsten Tage …
Montag, 21.Okt.: Györ – Tata – 62km Nach dem Start merkte ich schon die müden Beine als Antwort auf meinen starken Flüssigkeitsverlust. Krämpfe, Durchfall und Erbrechen waren die Begleiter für die nächsten Kilometer. Da wird jeder Kilometer doppelt so lang. Krämpfe, Durchfall, Aufgabe? Das erste Mal kam mir dieser Gedanke in den Sinn! Doch im Ziel wurde ich von einer sehr rührigen Betreuerin des Veranstalters, Annamaria, an den Veranstaltungsarzt mit der Bitte weitergeleitet, ich möge doch versuchen weiterzulaufen. Für die Sollzeitüberschreitung bekäme ich eine Zeitstrafe, aber ich dürfte weiterlaufen! Nach der ärztlichen Behandlung konnte ich erstmals etwas länger schlafen und einen Teil der Flüssigkeiten bei mir behalten.
Dienstag, 22.Okt.: Tata - Budakeszi – 60km An diesem Tag stand voll und ganz das „Überleben und Durchkommen“ im Blickpunkt. Helmuths Versorgungsintervalle habe ich von 10 km auf 5 km reduziert. Auch hatte ich das Glück, dass die Österreichische Staffel des MilAk Realgymnasiums Wr. Neustadt einen ersten Läufer einsetzte, dessen Tempo ich gerade noch halten konnte und er mich dadurch „mitzog“. Ich lief zwar schneller als geplant, dafür hatte ich aber einen Partner auf der Strecke und konnte zusätzlich dankbar die Hilfe des begleitenden Radfahrkameraden mitnutzen. Doch nach der ersten Wechselstelle verlor ich leider den Anschluss an diese erstklassige Gruppe und musste mehr oder weniger alleine das Weite suchen. Das rechte Knie machte sich jetzt schon sehr störend bemerkbar, was zu einer Überlastung des linken Mittelfußes führte, welcher jetzt auch nicht mehr so „rund“ funktionierte. Ziel, heiße Suppe, tägliche Massage von Helmuth, vorsichtiges Abendessen, schlafen!
Mittwoch, 23.Okt.: Budakeszi – Budapest – 21,4km Zum Abschluss noch „rasch“ ein Halbmarathon und fertig ist es! Gedacht habe ich mir das schon, nur die Wahrheit schaut ja bekanntlich immer etwas anders aus. Nach dem Start mussten wir ca. 6km gegen die Laufrichtung des letzten Tages bergauf laufen, was psychologisch nicht wirklich aufbauend war. Da dieses letzte Laufstück auch als autonomer Halbmarathon ausgeschrieben worden war, waren sowohl die Strecke mit Teilnehmern als auch die Streckenränder mit sehr vielen anfeuernden Zusehern übersät. Endlich kam das Hinweisschild Budapest, nur mehr ein paar Kilometer in die Stadt und aus. Nur, da waren außerdem noch dieser kleine Berg, mein kaputtes Knie, mein beleidigtes Sprunggelenk und der sich langsam erholende, angeschlagene Magen. Ein Halbmarathon der besonderen Art lag vor mir. Durch Wechseln der Geschwindigkeit vom Laufen zum Marsch zum Trab und wieder zurück zum Lauftempo konnte ich die Bergspitze erreichen, die letzte Labestation passieren und bergab Richtung Stadion laufen. Nur, dass dieses Bergablaufen meinem Knie viel mehr schadete, stellte sich erst jetzt heraus. Aber als ich in das Zentrum von Budapest lief und das Stadion mit der Zieltribüne erkennen konnte, versuchte ich schnell ein halbwegs vernünftiges Bild beim Einlauf abzugeben, um nicht sofort von den Sanis abgeführt zu werden. Nach dem Erhalt der Teilnahmemedaille konnte ich meinen Emotionen freien Lauf lassen und mich auf das kommende Abendprogramm freuen!
Ein herzliches Danke an alle Kameraden unserer Sektion die mich zu diesem Lauf motiviert haben, an Helmuth Küng und Karl Hagenauer für die erstklassige Betreuung und natürlich Gratulation an die beiden Laufstaffeln aus Österreich, die ausgezeichnete Leistungen „erlaufen“ konnten.